Isabelle Sbrissa

Isabelle Sbrissa

Schweizer Literaturpreise 2022

Isabelle Sbrissa wurde 1971 geboren. Sie schreibt Theaterstücke und Gedichte und hat an der Hochschule der Künste Bern studiert. Bei disdill, ihrem Mikro-Verlag, erschienen poèmes poèmes1 (2013) und die Zeitschrift La feuille. Bei den éditions NOUS veröffentlichte sie Ici là voir ailleurs (2018). Sie lebt in Undervelier (JU). 

«tout tient tout»

Sofort erkennen wir in tout tient tout von Isabelle Sbrissa zwei unterschiedliche Schriftbilder. Das eine ist gedrängt, ohne Interpunktion, eine Quasi-Prosa mit undefinierter Syntax. Es spricht die Sinne an. Wir sehen und hören, ausserhalb und innerhalb, und fühlen, was uns umgibt: Garten, Wald, Schnee oder Fliegen. Das andere zerteilt die Sprache ungeachtet des Sinnes. Die zerlegten Wörter werden an ihre Grenzen getrieben, ziehen auf die sonst weisse Seite eine senkrechte Rille, die zum Rand wird, an dem sich die Schrift selbst spiegelt. Aber da ist mehr als das Ganze des einen oder das Ganze des anderen Schriftbildes. Da ist ihr Aufeinandertreffen im Buch, das sie zusammenbringt und zusammenhält. Dazwischen unaufhörliche Wort- und Motivwechsel, Begrüssungen und ein Wiedererkennen. Der Titel kündigt es an: tout tient tout – alles hängt an allem. Für die Leserinnen und Leser ist dieser Satz weder eine einfache Feststellung noch eine sinnlose Utopie, sondern zu einer poetischen Erfahrung geworden.

héros-limite, 2021