Klaus Merz
Schweizer Grand Prix Literatur 2024
Klaus Merz wurde 1945 geboren und ist in Menziken (Kanton Aargau) aufgewachsen. Er ist ausgebildeter Sekundarlehrer und arbeitete an einer Höheren Fachschule als Dozent für Sprache und Kultur. Seit vielen Jahren ist Klaus Merz freier Schriftsteller und lebt in Unterkulm (AG). Seine Gedichte, Romane und Erzählungen wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und u.a. mit dem Hermann-Hesse-Literaturpreis 1997, dem Gottfried-Keller-Preis 2004, dem Basler Lyrikpreis und dem Friedrich-Hölderlin-Preis (beide 2012) sowie zuletzt mit dem Rainer-Malkowski-Preis (2016) und dem Christine-Lavant-Preis (2018) ausgezeichnet.
Innenschau und sprachliche Verdichtung prägen das Werk von Klaus Merz. Mit dem Aargauer Autor wird eine eher leise, jedoch umso eindringlichere und gewichtige Stimme ausgezeichnet, die einen Echoraum weit über die Schweizer Grenzen hinaus findet. Seit dem ersten Gedichtband Mit gesammelter Blindheit (1967) ist in über fünfzig Jahren ein sehr vielseitiges Œuvre entstanden: Es umfasst Lyrik, Prosa – Erzählungen, Novellen, kurze Romane und Essays – sowie Theaterstücke, Hörspiele und Kinderbücher. Rund dreissig Bücher sind es, versammelt in einer Werkausgabe, doch wächst das Werk weiter, in behutsamen Suchbewegungen streckt es seine Fühler in immer neue Richtungen aus: etwa ins Innenleben einer mittelländischen Firma (Firma, 2019) oder es folgt den Lichtspuren der Erinnerung (Noch Licht im Haus, 2023).
Klaus Merz’ Literatur ist in einem weltläufigen Sinne regional verankert. Im aargauischen Wynental geboren und aufgewachsen, lebt der Autor bis heute dort. Doch schwärmen seine Figuren aus, Auswanderer, Aussteiger und Rückkehrer bevölkern seine Texte: etwa der Grossvater in der Novelle Der Argentinier(2009), der zurückkehrt und als Dorflehrer eine eigene «neue» Welt aufbaut. Die Welthaltigkeit seines Werkes spiegelt sich auch in der Vielzahl der Übersetzungen: ins Französische, Italienische, Englische und Spanische ebenso wie etwa ins Russische und Persische.
Sehen! – lautet das Postulat, das Klaus Merz’ literarische Recherche seit vielen Jahren leitet. Es handelt sich um eine nach innen und aussen tastende Bewegung und zugleich um ein geduldiges Warten, bis sich Bilder von selbst auf der Netzhaut einprägen und als Erinnerung ablagern. In diesem Sinne sind nicht nur die vielen Gedichte und Essays, die sich mit bildender Kunst und Fotografie auseinandersetzen (Das Gedächtnis der Bilder, 2014), sondern alle seine Texte «Sehstücke». Die Gedichte entstehen langsam, manche über Jahre, und jedes nicht absolut notwendige Wort wird dabei ausgeschieden. Es ist ein Prozess sukzessiver Reduktion, bei dem am Schluss das Nicht-Schreiben «als ein Akt des Schreibens schlechthin» erscheint. «Texte müssen gut abgehangen sein» – diesem Credo verpflichtet, lässt sich Klaus Merz Zeit, sodass Erlebtes einsinken kann, bis es sich langsam verwandelt zu Literatur. Es bleibt dann nur noch die Essenz. So etwa in seinem Meisterwerk, dem kurzen Roman Jakob schläft (1997), mit dem Klaus Merz international Beachtung fand. Die Familiengeschichte erzählt von Krankheit, Versehrtheit und dem Tod, sie preist aber auch das Leben und die Verbundenheit zwischen Menschen. Zwar sind Krankheit und Tod Leitmotive seines Werkes, doch ist es durchwebt von einer lichtvollen Heiterkeit und schwebenden Tiefe und immer bestrebt, das «latente Material» unter der Oberfläche des Alltags hervorzubringen. Das poetische Programm findet sich im Gedicht «Königswege»: «Fluss aufwärts / kehren die Lachse / zu ihren Laich- / plätzen zurück. // Im Strom der Sprache / baut das Gedicht / eine Treppe / dem Wort.»