Sibylle Berg

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© BAK / Younès Klouche

Sibylle Berg

Schweizer Grand Prix Literatur 2020

Sibylle Berg wurde in Weimar geboren. Ihr Werk umfasst zahlreiche Romane, Essays, Theaterstücke sowie Hörspiele und wurde in 34 Sprachen übersetzt. Sie ist unter anderem Trägerin des Wolfgang-Koeppen-Preises, des Else-Lasker-Schüler-Dramatikerpreises und des Kasseler Literaturpreises für grotesken Humors. Sie lebt und arbeitet in Zürich.
 

Sibylle Berg
Bücher
© BAK / Younès Klouche

Sibylle Bergs Werk ist kein Seismographisches. Diese Sprache ist ein Erdbeben an sich. Danach liegt brach, was die Geschichte hinterlassen hat. In Schutt und Asche liegt eine Welt, der nichts Besseres als der Weltuntergang passieren kann. Über herkömmliche Naturkatastrophen wundert sich keiner mehr.

Mit über 20 Theaterstücken, 14 Romanen und weiteren Produktionen verschiedenster Formate steht dieses Werk wie ein Monolith in der Schweizer Literaturlandschaft. Eine Denkfabrik, die sich seit Jahrzehnten mit unseren Lebensbedingungen auseinandersetzt.

Sibylle Berg hat eine Sprache entwickelt, die unmittelbar das benennt, was in den Trümmern übrigbleibt. Die ureigenen Ängste des Menschen werden behandelt, immer im klaren Bewusstsein, dass der Mensch es ist, der die Welt zerstört; bei aller Gegenwärtigkeit ist es die Archaik der Bergschen Figuren, die einen so bedrückt.

Randständige bevölkern diese Texte, Hermaphroditen, Homos, Heteros und Jugendliche, die sich zum ersten Mal verlieben – sie alle suchen nur das Glück und sind doch traurige Gestalten. Nichtsdestotrotz: Sibylle Bergs unverwechselbarem Soundtrack ist es zu verdanken, dass selbst in verfahrensten Situationen Humor aufblitzt.

Auch wenn die Figuren, und keineswegs nur männliche, oft sich selber überlassen werden – es geht nicht ums Vorführen. Vielmehr ums Verstehen, was Neoliberalismus oder Technologie mit dem Menschen, diesem unberechenbaren und sentimentalen Wesen, machen. Und dafür zieht Sibylle Berg die Wissenschaft zurate, Expertinnen der künstlichen Intelligenz, Gewaltforscherinnern, Meeresbiologinnen.

Es ist Sibylle Berg ernst mit der Sorge um den Menschen. Im sogenannten Draussen bietet sie nicht nur Ideen an, sondern setzt sich gegen den Überwachungsstaat ein und fordert dazu auf, „die schönste Gruppe schlechthin (zu bilden): die Demokratie“ – „Damit die Angst des Einzelnen zum Mut der Masse wird.“

Sibylle Bergs Überwachungsbericht GRM endet mit einer Idylle: Kinder voller Talente, deren elende Existenz sich bestenfalls in rohe Beats fassen lässt, stehen mit einer zähen Zärtlichkeit für alle Zukunft zusammen.

Wir freuen uns auf Sibylle Bergs kommende Werke und gratulieren zum Schweizer Grand Prix für Literatur. Auf dass das nächste Jahrtausend nicht wieder lausig beginne – und nicht unser letztes sei.