Gilles Jobin

Gilles Jobin
© BAK Gregory Batardon

Gilles Jobin

Schweizer Grand Prix Tanz 2015

Gilles Jobin, geboren 1964 in Lausanne als Sohn eines abstrakten Malers, lebt und arbeitet in Genf. Erst spät studierte er klassischen Tanz bei Rosella Hightower in Cannes und beim Ballet Junior in Genf unter Béatriz Consuelo. Nach zehn Jahren als Tänzer und ersten solistischen Arbeiten kreierte er 1997 sein erstes Gruppenwerk, das Trio «A+B=X». Mit diesem etablierte er sogleich seine Anerkennung als zeitgenössischer Choreograph – zwei Jahre später wurde das Stück beim renommierten Festival Montpellier Danse präsentiert. 1999 folgte «Braindance», das die Saison 2000/01 im Théâtre de la Ville in Paris eröffnete, im Jahr darauf wurde «Moebius Strip» ebendort uraufgeführt. Seither kreiert Jobin mit seiner Compagnie Gilles Jobin oder auch im Auftrag von anderen – wie für das Ballet du Grand Théâtre in Genf mit «Two-Thousand-And-Three» (2003) – regelmässig ein neues Werk. 2013 entstand aus einem Artist-in-Residence-Programm am CERN «QUANTUM». Jobin hatte 2012 den ersten Prix Collide@Cern in Tanz und Performance gewonnen. Bereits im Jahr 2000 erhielt er den Prix culturel vaudois jeunes créateurs danse, 2001 folgte die Auszeichnung als neues choreographisches Talent der französischen Société des auteurs et compositeurs dramatique (SACD) und 2004 der Prix culturel Leenaards der gleichnamigen Westschweizer Stiftung.

Obschon er schon früh wusste, dass er Choreograph werden wollte, arbeitete Gilles Jobin zuerst nicht nur als Tänzer, sondern auch als Techniker und leitete zusammen mit Yann Marussich von 1993 bis 1995 das Théâtre de l’Usine in Genf. Jobin sieht seine Arbeit in der Folge des neuen zeitgenössischen Tanzes der 1980er Jahre, der von Frankreich in die Schweiz schwappte. Als Jobin zusammen mit seiner Frau La Ribot 1997 nach London zog, schaute er aus einer Perspektive der visuellen Künste auf den Tanz und interessierte sich insbesondere für die Performance. Credo seiner Schöpfungen ist weniger ein ausführender als ein ‹denkender› Körper. Entsprechend wichtig sind Jobin der Kreationsprozess und die aktive Beteiligung seiner Tänzerinnen und Tänzer.

Kritische Reflexion und Mut zur Innovation sind die Essenzen von Jobins Schaffen. Gelegentlich wegen seiner kompromisslosen Haltung als ‹Enfant terrible› des Schweizer Tanzes bezeichnet, engagiert sich Gilles Jobin auch in der Vermittlung, der Dokumentation oder dem Film. Für die Cie Virevolte schuf er 2007 «Moebius Kids» und 2013 «Protokids». Zu «Moebius Strip», zu dem Franz Treichler von den Young Gods und Gewinner des ersten Schweizer Musikpreises von 2014 die Soundcollage komponierte, entstand 2001 ein 26minütiger Tanzfilm von Vincent Pluss sowie ein Dokumentarfilm «Le Voyage de Moebius». Auch ein Tanzfilmprojekt im 3D-Format, «Womb», versucht Jobin trotz Hürden in der Finanzierung zu realisieren. Mit dem Schweizer Grand Prix Tanz erhält Gilles Jobin nun eine nationale Anerkennung für sein 20jähriges künstlerisches Schaffen.

Esther Sutter, Jurypräsidentin

«Er hat den zeitgenössischen Tanz revolutioniert und das weit über unsere nationalen Grenzen hinaus. Gilles Jobin gilt international als Wegbereiter eines neuen Verständnisses für die zeitgenössische Choreographie. Jobin hat den Körper dekonstruiert, ihn zergliedert, um ihn von Stück zu Stück neu – und dabei höchst organisch – aufzubauen. Ohne Angst vor Kollision und Kontrast reflektiert, ja seziert der Choreograph sein Bewegungsmaterial. Damit eröffnen Gilles Jobins Choreographien uns eine neue und kritische Sicht auf den Menschen in der Vielfalt wie in den Brüchen seiner heutigen Kontexte.
In Genf, wo auch seine Compagnie zu Hause ist, fand Jobin 2012 zum CERN. ‹QUANTUM› heisst das Stück, das entstanden ist im Rahmen des Programms arts@cern. Nichts könnte besser belegen, dass Gilles Jobin ein leidenschaftlicher Forscher, ein analytischer Künstler und ein radikaler Zeitgenosse ist, als diese filigrane Choreographie für sechs Tänzerinnen und Tänzer, in der sich die Körper in Beschleunigung und Genauigkeit auf atemberaubende Art in Balance halten.»