Cornbread the Legend. Graffiti in Philadelphia, 1965 – 1971
Das grösstenteils schwarzweisse Musterbuch zu einer neuen Schrift aus der Hand eines US-amerikanischen Graffiti-Pioniers verlockt mit erhellenden Hintergrundinformationen zu einem Zeitsprung aus der digitalen Gegenwart in die 1960er Jahre. Es beginnt mit einer langen Bildstrecke aus fotokopierten – und manchmal vergrösserten – Zeitungsausschnitten, welche die damalige öffentliche Wahrnehmung des Graffiti-Künstlers aus Philadelphia rekonstruieren. Er machte als einer der ersten das wiederholte Sprayen des Künstlernamens zu einer gestalterischen Intervention im Stadtraum und wurde als geheimnisvolle Lokalberühmtheit von den Zeitungen einmal fälschlicherweise für tot erklärt. Die packende visuelle Geschichte deutet nicht auf ein Schriftmusterbuch hin, weshalb die vielen folgenden weissen Seiten mit grossen schwarzen Buchstaben und Wörtern im einzigen Gewicht der Schrift zuerst einmal überraschen. Aber es macht durchaus Sinn, ein Schriftmuster in dieser Weise zu erweitern, zumal, wenn die Schrift so stark an den biografischen und lokalen Kontext gebunden war. Dies unterstreichen anschliessend ein zweiter Bildteil mit randabfallenden historischen Fotos von Sprayereien und gelegentlichen Porträts, meist grob gerastert, sowie ein illustriertes Gespräch der Herausgeber mit dem Künstler. Obwohl eine solche Photokopie-Ästhetik nicht immer leicht zu handhaben ist, wirkt der gestalterische Umgang hier souverän und geradezu selbstverständlich. Der dicke Kartonumschlag mit abgeschnittenen Kanten lässt das Buch stark objekthaft erscheinen – fast wie ein Stück Wand. Indem auf dem Cover ein historischer Zeitungsbericht über Graffiti-Entfernung mit dem roten Buchtitel überdruckt wurde, wird angedeutet, dass der Künstler gegen alle Widerstände die Oberhand behält. Insgesamt trägt die Publikation dazu bei, das Bewusstsein für die kulturhistorischen und politischen Hintergründe jener Graffiti-Schriften zu schärfen, die im globalen digitalen Schriftenreigen heute für ein jüngeres Publikum zeit- und ortlos erscheinen können.