Anna Monika Jost

Anna Monika Jost
Zürich – Milano – Paris: Eine grafische Reise
von Barbara Junod
Das grafische Werk von Anna Monika Jost (1944) ist beeindruckend vielseitig. In ihrer rund 50-jährigen Karriere hat sie für diverse namhafte Auftraggeber und Kunden in Italien, in der Schweiz und in Frankreich gearbeitet. Dabei sind unzählige Werbemittel, Verpackungen und Publikationen sowie Messestände und Erscheinungsbilder entstanden. Sie zeugen von ihrem Talent, ihrer Flexibilität und ihrem Mut zur Farbe, der ihr gesamtes Werk durchdringt. Die Verwendung verschiedener Schriftstile – von modern bis klassisch – ist ein weiteres Merkmal ihrer Arbeit, die von der Ära des Swiss Style bis in die eklektische Postmoderne reicht. Der fruchtbare Austausch mit Kunden und Kreativen aus verschiedenen Kulturen führte bei Anna Monika Jost zu einer gestalterischen Offenheit, die sie mit vielen nach Mailand oder Paris ausgewanderten Kolleginnen und Kollegen teilt. Was ihre Karriere jedoch von anderen unterscheidet, ist, dass sie in drei verschiedenen Sprachkulturen gearbeitet hat und es ihr bei jedem Wechsel gelang, sich erneut als Grafikerin zu behaupten.
Anna Monika Josts Karriere begann 1960 mit dem Entscheid, ihr Bündner Heimatdorf Klosters zu verlassen, um sich an der Kunstgewerbeschule Zürich auszubilden. Im Vorkurs unter Karl Schmid lernte sie Zeichnen, Modellieren, Schriftenschreiben, Farbtheorie und das Werken mit Holz. Von der anschliessend besuchten Textilfachklasse enttäuscht, machte sie auf Empfehlung von Gottfried Honegger eine Lehre als wissenschaftliche Zeichnerin am Zoologischen Museum der Universität Zürich und belegte nebenbei Kurse in Schriftschreiben und Farbenlehre nach Johannes Itten. Honeggers Tochter Cornelia, mit der Anna Monika Jost die Wohnung teilte, machte dieselbe Lehre. Die Bekanntschaft mit der Familie Honegger-Lavater war für Anna Monika Jost ein Glücksfall, eröffnete sie ihr doch eine neue Welt und den Zugang zur Konkreten Kunst.
Nach Abschluss ihrer Ausbildung reiste Anna Monika Jost 1965 nach Mailand, um dort ihre typografischen Kenntnisse zu erweitern und Italienisch zu lernen. Hier fand sie bei der Firma Olivetti, bekannt für ihr kulturelles und soziales Engagement, rasch Arbeit. Unter dem Schweizer Art Director Walter Ballmer gestaltete sie verschiedene Werbemittel und beteiligte sich an den Messeauftritten der Firma. Auf ihrem bunten Plakat für den Olivetti-Pavillon in Nairobi von 1966 geben runde Schreibmaschinentasten den Takt an. Es ist ein Musterbeispiel des Swiss Style: asymmetrisches Layout, Groteskschrift und eine geometrische Komposition in Vollfarben – eine Anleihe an die Konkrete Kunst.
1967 kehrte Anna Monika Jost in die Schweiz zurück. Sie arbeitete zuerst bei der Werbeagentur Lorch in Zürich, wo sie u. a. ein preisgekröntes Plakat für den Coiffeur-Salon Kaiser schuf. 1969 wechselte sie zur Werbeagentur Jean Reiwald in Basel unter Art Director Armin Vogt. Hier entwarf sie für Fiat Werbemittel in dynamischen Farben und Formen, die mit den Rhomben des Fiat-Logos spielen und der Autofirma einen progressiven «Swiss Touch» verleihen. 1970 wechselte sie in die Mailänder Filiale von Reiwald, wo sie für die Firmen Fiat, Motta und Baccarat Inserate, Kalender, Verpackungen und eine Fiat-Trophäe gestaltete. Die Konkurrenz unter den Mitarbeitenden war gross und Anna Monika fand es an der Zeit, sich etwas Neues zu suchen.
Da ihr die Schweiz zu eng und zu perfekt war, packte sie 1972 ihre Koffer für die Kulturmetropole Paris. Über ihre Kontakte mit Auslandschweizern fand sie eine Stelle bei der Warenhauskette Prisunic, für die sie das von Tomás Maldonado neu konzipierte Erscheinungsbild der Läden überwachte. Zwar war die Arbeit nicht kreativ, erlaubte ihr aber, das Land zu bereisen und Französisch zu lernen. 1973 übernahm sie die Leitung der Grafikabteilung in Roger Tallons Firma Design Programmes SA. Hier verantwortete sie die Neugestaltung der Pharmaverpackungen für Laboratoires Goupil. Massimo Vignelli, der eines Tages aus New York zu Besuch kam, war von den Entwürfen begeistert und überzeugte Tallon, die Packungen umzusetzen. Bei Tallon arbeitete sie ausserdem mit den Basler Grafikern Rudi Meyer und Peter Keller am Erscheinungsbild der französischen Staatsbahnen SNCF. Der Kapriolen ihres Chefs überdrüssig, wechselte sie im März 1975 die Agentur und kehrte später der kommerziellen Werbung den Rücken.
Den Sprung in die Selbstständigkeit schaffte Anna Monika Jost 1978 mithilfe ihres Landsmanns Rolf Ibach, Art Director beim Verlag der Unesco. Er gab ihr einen Arbeitsplatz in seinem Büro und Aufträge für die Gestaltung der internationalen Zeitschriften Museum und ICOM News. So konnte sie sich im vielsprachigen Editorial Design spezialisieren und bekam wichtige Folgeaufträge. Ihre Vorliebe galt wissenschaftlichen Themen und der Konzeption sozial engagierter Publikationen. Zu ihren Favoriten zählt heute das Magazin Technè, welches sie von 1993 bis 2011 für das Centre national de recherche et de restauration des musées de France (C2RMF) gestaltete. Jede Nummer eröffnet einen Blick hinter die Kulissen, was auf den Umschlägen mit einem quadratischen Fenster und dem gespiegelten Titel visualisiert ist. 1990 bekam sie die Chance, das Erscheinungsbild der südfranzösischen Kleinstadt Mouans-Sartoux neu zu gestalten. Den prestigeträchtigen Auftrag erhielt sie vom französischen Kulturministerium durch die Vermittlung von Gottfried Honegger, der im angrenzenden Schloss den Espace de l’Art Concret eröffnet hatte.
Obschon Anna Monika Jost durchgehend für namhafte Firmen und Institutionen arbeitete, ist ihr wichtiger Beitrag zur Integration und Weiterentwicklung der Schweizer Grafik im Ausland – anders als bei ihren männlichen Kollegen – erst einem kleinen Publikum bekannt. Die Schenkung ihrer Arbeiten an Museen in Paris, Zürich und Basel, welche ausgewählte Arbeiten ausgestellt und über Online-Datenbanken zugänglich gemacht haben, aber auch Forschende, die auf die Gestalterin aufmerksam wurden, haben die Sichtbarkeit dieser bedeutenden Grafikerin markant verbessert. Mit dem Schweizer Grand Prix Design bekommt Anna Monika Jost endlich die verdiente Anerkennung.