Ursina Greuel, geboren 1971, studierte nach einem angefangenen Studium der Theaterwissenschaft und Hispanistik an der Humboldt-Universität Berlin sowie Hospitanzen und Assistenzen an verschiedenen Theatern in den 1990er-Jahren Schauspiel und Regie an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK). Es folgte ein Engagement als Regieassistentin, später Regisseurin am Thalia Theater Hamburg. Seit 2000 ist sie freischaffende Regisseurin, gründete 2001 zusammen mit Guy Krneta die Gruppe Matterhorn Produktionen und ist seit 2018 künstlerische Leiterin des sogar theaters in Zürich. Die engagierte Theatermacherin initiierte verschiedene Fördergefässe, verantwortete von 1999 bis 2004 als Co-Leiterin die Basler Dramatik-Reihe «Antischublade», war von 2004 bis 2008 Co-Leiterin der Werkstattreihe für Neue Dramatik am Vorstadt-Theater Basel und schuf 2014 mit der STÜCKBOX ein Produktionsgefäss für zeitgenössische Theatertexte, das den Dialog mit dem Publikum bereits im künstlerischen Prozess mitdenkt. Von 2006 bis 2015 präsidierte sie den Berufsverband der Freien Theaterschaffenden der Schweiz ACT (heute t.Theaterschaffen Schweiz).
Ursina Greuel sucht in ihrer Regiearbeit die Auseinandersetzung mit neuen Texten und der Musikalität von Sprache. Die enge Zusammenarbeit mit Autorinnen und Autoren zieht sich als roter Faden durch ihre Arbeit und umfasst zahlreiche (Ur)aufführungen, u. a. von Renata Burckhardt, Martina Clavadetscher, Lukas Holliger, Guy Krneta, Melinda Nadj Abonji und Beat Sterchi. Ab der Masseneinwanderungsinitiative 2012 wird ihre Arbeit politischer: Das Schweizer Asylwesen, die Situation von Migrantinnen und Migranten der ersten, zweiten und dritten Generation, der salonfähige Rechtspopulismus und seine Schnittmenge mit einem erstarkenden Rechtsextremismus ‒ Ursina Greuel entwickelte die künstlerische Form aus den jeweiligen Themen heraus. Sie verstand es, die Inhalte in eine adäquate, sinnliche, oft musikalische Sprache zu übersetzen. Exemplarisch dafür steht der vielsprachige Abend «Mensch, du hast Recht!» (2023), in dem ein diverses neunköpfiges Ensemble alle 30 Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte auf der Bühne zum Klingen bringt. Ursina Greuel ist Mutter von vier Kindern und lebt in Basel und Zürich.
Ursina Greuel ist eine hellwache Beobachterin unserer Gesellschaft. Ihre Arbeit zeugt von einem stetigen Engagement für die Nischen, Kehrseiten und Blind spots in Kunst, Politik und Leben. Ob Neue Dramatik, Sprachenvielfalt, soziale Gerechtigkeit oder Inklusion, als Theaterleiterin und Gastgeberin, Kuratorin, Regisseurin und Literaturfördererin ‒ sie gibt Stimmen eine Bühne. In Zeiten öffentlicher Empörungsbewirtschaftung macht Ursina Greuel kluge Angebote: Mit einem sicheren Gespür für Kollaborationen und mit Präzision lenkt sie unseren Fokus: Dahin, wo es weh tut, aber auch dorthin, wo das Glück um die Ecke wartet. Wie eine Botschafterin sans frontières will Ursina Greuel immer etwas und genau das macht ihre Arbeit so überzeugend.