In «L’œil nu» verbindet Maud Blandel das astrophysikalische Phänomen der Pulsare – Himmelskörper, die durch die Explosion eines Sternenkerns entstanden sind – mit der tragischen Erinnerung an den Suizid ihres Vaters. In diesem sehr persönlichen Stück befreit sich die Choreografin von der realistischen Rekonstruktion eines autobiografischen Ereignisses, von dem nur ein Ton und kein Bild geblieben ist. Inspiriert vom stellaren Phänomen spielt die Choreografin mit den sechs Tänzerinnen und Tänzern mittels Drehungen im Kreis, Verlangsamungen, Beschleunigungen, Wiederholungen und Elementen der Schwerkraft, um Vergänglichkeit und Zeitlichkeit sichtbar zu machen. «L’œil nu» beschäftigt sich mit Übergangszuständen, Leerstellen der Erinnerung und Sinneswahrnehmungen, um die Tragik zu umkreisen und so doch ein Stück weit geschehen zu lassen. Nach der Premiere im Arsenic im April 2023 war «L’œil nu» u. a. in Zusammenarbeit mit Sélection Suisse en Avignon im Juli 2023 zum IN-Festival in Avignon und im Februar 2024 zu den Swiss Dance Days in Zürich eingeladen.
Maud Blandel, 1986 in Frankreich geboren und ursprünglich im zeitgenössischen Tanz in Toulouse (FR) ausgebildet, kam 2012 nach Lausanne und absolvierte an der Manufacture den ersten Regie-Master und studierte ausserdem an der HEAD in Genf im Master bildende Künste. Ab 2015 kreiert sie unter ihrem Label ILKA ihre choreografischen Werke, seit 2016 produziert und begleitet vom Produktionspool Parallèle in Marseille. Sie lebt in Lausanne und ist dort seit September 2018 Artist in residence im Arsenic und assoziierte Künstlerin am CNDC in Anger (FR) und an der Bonlieu Scène in Annecy (FR). Ihre Herangehensweise an die Dramaturgie, ihre Vorliebe für Transformation und ihr Streben nach Musikalität bringen sie dazu, einzigartige, kraftvoll komponierte choreografische Objekte zu schaffen. Bisherige Werke waren u. a. «Touch down» (2015), «Lignes de conduite» (2018), «Diverti Menti» (2020) und «Double Septet» (2021). Parallel zu ihren Aktivitäten arbeitet sie mit Cindy Van Acker, Heiner Goebbels oder Romeo Castelucci sowie mit zahlreichen jungen Bühnenautorinnen und Bühnenautoren zusammen.
Maud Blandel hört dem Puls der Welt zu, von ihren Anfängen bis zum Erlöschen. Über die Jahre hat sie eine faszinierende choreografische Sprache entwickelt, die allen ihren Stücken den tiefen Antrieb verleiht, der uns bewegt: die Hysterie von Charcots «Bal des Folles» zu mathematischen Rhythmen der Musik, die Kunststücke der Cheerleaderinnen zur Raserei der Tarantella und schliesslich der Tod der Sterne und ihre letzten Spuren, die Pulsare.
Mit «L’Œil nu» nimmt sie uns mit in die Bewegungen ihrer Intimität und unterstreicht während der Dauer des Stücks elegant die Möglichkeit unserer Versöhnung mit der Gegenwart über die Unendlichkeit und die Traumen der Vergangenheit hinweg.
Georges Grbic, Jurymitglied
Staging & choreography: Maud Blandel
Dancers: Bilal El Had (in alteration), Karin Dahouindji, Maya Masse,Tilouna Morel, Ana Teresa Pereira, Romane Peytavin, Simon Ramseier (in alteration)
Sound: Flavio Virzi, Denis Rollet, Maud Blandel
Lighting: Daniel Demont & Florian Bach
Mixing & sound diffusion: Denis Rollet
Outside view: Anna-Marija Adomaityte
Costumes: Marie Bajenova
Production: I L K A
ADC – Le Pavillon de la Danse
Arsenic – Centre d'art scénique contemporain
Canton de Vaud
Le Quai – CDN Angers Pays de la Loire
Centre Chorégraphique National de Caen en Normandie (as part of the Accueil-studio Residencies / Ministère de la Culture)
The company I L K A benefits from a contract of confidence with the city of Lausanne 2024–2027.