fleischlin/meser

Anja Meser_Beatrix Fleischlin En tete
© BAK / Charlotte Krieger

fleischlin/meser

Spielerische Rollenreflexionen 

Schweizer Preis Darstellende Künste 2021

fleischlin/meser, das sind Beatrice Fleischlin, 1971 im ländlichen Sempach (LU) und Anja Meser, 1980 in Berlin geboren. Beatrice Fleischlin studierte an der Schauspielakademie in Zürich (heute ZHdK) und bildete sich an der Tanzfabrik in Berlin weiter, wo sie Anja Meser kennenlernte. Anja Meser lebt in Berlin und arbeitet als freischaffende Tänzerin, Choreografin und Performerin. Seit über zehn Jahren verbinden die beiden Recherchen zu politischen und sozialen Themen mit Fragmenten aus dem Popbusiness zu Ereignissen, die nicht nur in einem Bühnenraum stattfinden. Neben der kontinuierlichen Zusammenarbeit sind beide an vielfältigen Projekten von anderen Kulturschaffenden beteiligt, beispielsweise von Thom Luz, Boris Nikitin, Antje Schupp oder Kiriakos Hadjiioannou. Beatrice Fleischlin wirkte nach ihrer Ausbildung im Trio unter dem Label «Gaststube˚», das kürzlich wieder aktiviert wurde und Arbeiten an der Schnittstelle von Inszenierung, Installation und Interaktion schafft.

Anja Meser_Beatrix Fleischlin - Galerie1
Anja Meser & Beatrix Fleischlin
© BAK / Charlotte Krieger

Seit 2009 setzen sich fleischlin/meser in ihren Arbeiten mit Gender und Identität auseinander. Sie verbinden biografisches Material mit Elementen des Pop und mit Recherchen zu Bewegung und Sprache zu Performances, die zugleich irritieren und unterhalten. In «Come on Baby» (2011) machten sie sich beispielsweise auf den Weg, die Codes zu knacken, mittels derer der Mann sich im Alltag darstellt. «This is me*» – «ein zwei-Solo-Abend» im Untertitel (2019), ist ein feministisches Stück, das die aktuelle Gender-Debatte aufgreift. «What is human» (2020) ist als Denkraum und Fest angelegt, um über Familienvorstellungen zu reflektieren. Vorstellungen an anderen Spielorten waren «Sweetheart» (2012) – eine Art 60er-Jahre-Revue – auf einer Rolltreppe im Europacenter in Berlin oder «do you feel real» (2013) im Schaufenster des Kaufhauses Manor in Zürich.

Beatrice Fleischlin und Anja Meser verschieben mit ihren Arbeiten Grenzen und Normen, um erst einmal Platz zu schaffen, um Orte der Lust, der Nachdenklichkeit oder der Erkenntnis zu schaffen. Wie wollen wir miteinander leben? Eingezwängt oder frei? Keine Frage! Auf den Freiflächen von fleischlin/meser spüren wir die Begeisterung für die Vielfalt des Lebens. Ihre Arbeiten sind analytisch scharf und poppig bunt, sind schrill und überraschen mit Momenten grosser Intimität. Ihr Umgang mit Fragen zu Gender, zu Identität und Rollenmustern ist immer lebensprall, nie von oben herab. Spielerisch leicht entlarven sie das scheinbar Normale als Konstrukt und laden ein, den Platz freizuhalten für das eigentlich Normale: die Vielfalt und Toleranz.

Barbara Anderhub, Jurymitglied