Felix Lehner

 Felix Lehner
© BAK_Thea Giglio

Felix Lehner

«Es geht nicht einfach um das Ausführen eines Auftrags. Sondern darum, dem Material Relevanz und Magie zu verleihen.»

«Ich habe gelernt, dass Arbeiten und Forschen dann Sinn und Freude machen, wenn es einem gelingt, sich zu verausgaben
– und dass dabei mehr Energie zurückkommt, als hineingesteckt ist. Dazu gehört auch innerlich berührt zu werden. Mein Antrieb ist die Nähe, am künstlerischen Prozess, beim Entwickeln, beim Zweifeln, beim Entscheiden teilzuhaben, Komplize zu sein.»

«Vieles ist auf der Grundlage von Träumen, von Vorstellungen, Wünschen gewachsen. Ich handelte ohne Zusicherungen, manchmal ohne Einwilligungen. Über eine innige Vorstellungskraft können Träume Wirklichkeit werden.»

Felix Lehner
© Katalin Deer

Im Sittertal am Stadtrand von St. Gallen befindet sich auf dem Areal einer ehemaligen Textilfärberei ein internationales Zentrum für Kunst und Produktion. Dazu gehören die Kunstgiesserei St. Gallen, die Stiftung Sitterwerk und das Kesselhaus Josephsohn. Die Besonderheit des Orts mit seiner unprätentiösen Atmosphäre beruht im Nebeneinander von traditionellem Handwerk und neuesten Technologien, künstlerischer Auseinandersetzung und ungewöhnlichem Materialwissen. Die Kombination von Konzentration und angeregtem Austausch zeichnet den Ort aus. Der über die Jahre gewachsene Organismus – eine Art zeitgenössische und zukunftsweisende Bauhütte – ist insbesondere das Werk von Felix Lehner (*1960 in St. Gallen) und umfasst einerseits einen pulsierenden Produktionsbetrieb und andererseits eine Kunstbibliothek, ein Materialarchiv, Ateliers für Gastkünstlerinnen und -künstler sowie Räumlichkeiten zur Präsentation. Heute arbeiten in den verschiedenen Bereichen rund hundert Spezialistinnen und Spezialisten unterschiedlicher Berufsgattungen in enger Kollaboration mit Künstlerinnen und Künstlern aus aller Welt.

Als Felix Lehner 1983 in Beinwil am See die eigene Kunstgiesserei eröffnete, war er 22 Jahre alt. Dass er Kunstgiesser werden wollte, wusste er bereits als Schüler. Da es damals keine Ausbildung zum Kunstgiesser gab und er auf keinen Fall in eine Industriegiesserei wollte, machte er zuerst eine Buchhändlerlehre. Danach erarbeitete er sich das Handwerk des Giessens und seine theoretischen Grundlagen bis auf eineinhalb Jahre Tätigkeit als Hilfsarbeiter in einer Kunstgiesserei weitgehend autodidaktisch. Heute leitet Felix Lehner mit der 1994 nach St. Gallen verlegten Kunstgiesserei ein Unternehmen mit rund achtzig Mitarbeitenden sowie eine Tochterfirma in Shanghai. Die oft unkonventionellen Wege der Herstellung entwickeln Felix Lehner und sein engagiertes Team stets in engem Austausch und einer Art Komplizenschaft mit den auftraggebenden Kunstschaffenden.

Einen besonderen Stellenwert in diesem schöpferischen Konglomerat nimmt der Bildhauer Hans Josephsohn (1920–2012) ein. Die freundschaftlich verbundene Zusammenarbeit beruht auf Felix Lehners wegweisender Begegnung mit dessen Werk noch während seiner Ausbildung zum Buchhändler in den 1970er Jahren. Der erste Bronzeguss in der eigenen Giesserei war denn auch ein Relief von Josephsohn. Das 2004 eröffnete Kesselhaus Josephsohn ist Ausstellungsraum, Galerie und Nachlassverwaltung in einem und synergetisch eng mit dem Giessereiunternehmen verbunden. Dies gilt auch für die 2006 gegründete gemeinnützige Stiftung Sitterwerk mit Kunstbibliothek, Werkstoffarchiv und Atelierhaus. Diese sich gegenseitig kongenial befruchtenden Verbindungen von Buch, Material, dynamischer Ordnung und der aktiven Auseinandersetzung zu Themen der Nachhaltigkeit schätzen nicht nur Künstlerinnen und Künstler, sondern auch Forschende, Museen, Architektinnen und Architekten. Aus einer scheinbar utopischen Vorstellung heraus ist so ein wichtiger Ort für Kultur und Gesellschaft entstanden.