Stanislaus von Moos

Stanislaus von Moos
© BAK, Florian Spring

Stanislaus von Moos

«Ich weiss schon, dass ein Architekturkritiker, der etwas auf sich hält, unterstreichen muss, dass 90 Prozent von dem, was heute gebaut wird, mit „Stadt“ nichts zu tun habe. Vermutlich werden wir uns alle aber damit abfinden müssen, dass das „Chaos“, gerade weil es so gut rentiert, noch auf längere Zeit hinaus die Schweizer und vermutlich auch die europäische Stadt sein wird.»
(aus: Tränen der Architektur, 1989)

«Man muss ab und zu auch einen oder zwei Schritte zur Seite tun, um die Dinge von ausserhalb der Kultur in Augenschein zu nehmen, in der man selber funktioniert.»
(Januar 2023)

Stanislaus von Moos

Marie-Eve Hildbrand / Terrain Vague, Lausanne

Stanislaus von Moos, geboren 1940 in Luzern, studierte an der ETH und der Universität Zürich. Er lebt in Zürich und Ennetbürgen im Kanton Nidwalden.

Der Kunsthistoriker Stanislaus von Moos ist international bekannt für seine scharfsinnigen Analysen von Bauwerken und künstlerischen Artefakten aller Art und der komplexen historischen, politischen, wirtschaftlichen und ideologischen Faktoren, die ihre Bedeutung prägen. Seine kritischen Texte zu Themen der materiellen Kultur tragen so zu einem besseren Verständnis der Welt bei, in der wir leben. Neugierig und engagiert, gelehrt und unterhaltsam wendet er sich mitunter auch an ein breites Publikum.

Während sechzig Jahren versuchte von Moos mit seiner Arbeit als Wissenschaftler, Kurator und Pädagoge Brücken zu schlagen zwischen Architektur und Kunst, Geschichte und Kritik, Hoch- und Trivialkultur, wobei urbane Ballungsräume nicht weniger als künstliche Landschaften ins Visier geraten. Die Palette von Themen umfasst militärische Festungsanlagen der Renaissance genauso wie die künstlerische Avantgarde des 20. Jahrhunderts, die Popkultur so gut wie den Minimalismus. Diesen vielfältigen, luzide ins Auge gefassten und gelegentlich nicht ohne Ironie verfolgten Interessen liegt die Absicht zugrunde, Architektur und Kunst als Ausdruck der Verfasstheit der Moderne zu verstehen. Seine Arbeit gibt unerwartete Einblicke in das Werk von Architektinnen und Architekten wie Le Corbusier, Karl Moser, Max Bill, Robert Venturi
und Denise Scott-Brown, Herzog & de Meuron sowie Rem Koolhaas, aber auch von Künstlerinnen und Künstlern wie Václav Požárek, Pipilotti Rist, Peter Fischli und David Weiss sowie anderen.

Von Moos studierte Kunstgeschichte an der Universität Zürich. Sein erstes Buch Le Corbusier: Elemente einer Synthese (1968, die erste kritische Gesamtdarstellung nach dem Tod des Architekten) wurde in fünf Sprachen übersetzt und gilt noch immer als Standardwerk. 1971 gründete von Moos die Zeitschrift archithese und verwandelte ein bescheidenes Fachblatt in eine radikale theoretische Plattform. Während der ersten fünf Jahre und in über 24 Ausgaben profilierte sich archithese unter anderem mit kritischen Beiträgen zu politischen und theoretischen Aspekten des Städtebaus und der Denkmalpflege, Themen, die im internationalen Architekturdiskurs nach wie vor von grosser Bedeutung sind. Aus der Verbindung von archithese mit der Architekturzeitschrift Werk entstand 1977 die Zeitschrift werk archithese, die von Moos in den darauffolgenden drei Jahren gemeinsam mit Diego Peverelli leitete. Auf mehrere Jahre der Lehrtätigkeit in Harvard, an der EPFL und an der TU Delft folgte die Professur für moderne und zeitgenössische Kunst an der Universität Zürich (1983 bis 2005). Durch seine Lehrtätigkeit – zuletzt unter anderem an der Accademia di architettura in Mendrisio und an der Yale University – hat von Moos mehrere Generationen von Studierenden beeinflusst, von denen viele heute in den Kunst- und Architekturnetzwerken in und ausserhalb der Schweiz tätig sind.

Als Reflexionen und Beobachtungen von ausserhalb der Architektur haben seine Schriften neue Perspektiven für innerarchitektonische Untersuchungen eröffnet. Im Gegensatz zu der Vorstellung einer «autonomen» Architektur, wie sie von den Anhängerinnen und Anhängern Aldo Rossis an der ETH Zürich propagiert wurde, setzte sich von Moos – in archithese ebenso wie in zwei Monografien von 1987 und 1999 – für die heteronome Position von Venturi, Scott Brown & Associates ein und leistete so einen Beitrag zu den aufgeladenen Debatten über Realismus und Postmodernismus in der Schweiz und weltweit. Ausserdem ist von Moos der Autor zahlreicher weiterer Bücher und Aufsätze. In seinem neuesten Werk Erste Hilfe.

Architekturdiskurs nach 1940. Eine Schweizer Spurensuche (2021) identifiziert er das Jahr 1940 als den Beginn der Schweizer Nachkriegsarchitektur und bietet eine frische Lesart der Architektur jener Zeit in ihrem lokalen und internationalen Kontext. Ein weiteres Buch, Twentyfive × Herzog & de Meuron (zusammen mit Arthur Rüegg), wird im Frühjahr 2023 erscheinen.