Anna Felder

Anna Felder, Schweizer Grand Prix Literatur 2018
© Ladina Bischof

Anna Felder

Schweizer Grand Prix Literatur 2018

Unter den Schweizer Literaturen ist die von Anna Felder, einer Luganerin in Aarau, eine diskrete und dennoch äusserst faszinierende Erscheinung. Anna Felder ist eine gebildete Autorin, die ihr Wissen nicht zur Schau stellt. Seit ihrem berühmten ersten Buch, "Tra dove piove e non piove" (1972) hat sie ein Werk geschaffen, das für seine Kohärenz und seine Originalität zu bewundern ist. Ihr Stil lässt an zahlreiche Vorbilder denken, ist aber in Wirklichkeit einzigartig und sofort erkennbar, trotz der Vielfalt an Formen und Genres, an die sie sich gewagt hat: Roman, Erzählung, Theater, Hörspiel, Aufsatz. Italo Calvino, der Anna Felders zweiten Roman "La disdetta" (Einaudi, 1974) mit Überzeugung unterstützte, schreibt, es handle sich um einen Text für ein Publikum mit auserlesenem Geschmack. Der Zugang zu den Büchern von Anna Felder ist tatsächlich nicht immer leicht. Die Autorin weicht den allzu begangenen Wegen aus und experimentiert als Freundin der Ellipse mit der Kunst des Weglassens. Wir denken vor allem an ihre anspruchsvollsten Romane wie "Nozze alte" (1981), in dem sie den Mythos von Philemon und Baucis in die Aktualität umschreibt, oder "Le Adelaidi" (2007), die Geschichte eines Mannes und vieler Frauen, erzählt als Puzzle von Evokationen und verworren auftauchenden Erinnerungen. Dennoch haben auch diese Bücher wie die leichteren Kurzgeschichtensammlungen "Gli stretti congiunti" (1982) und "Nati complici" (1999) ihre Leserinnen und Leser gefunden und sind in der italienischsprachigen Schweiz und darüber hinaus Teil der Literaturgeschichte geworden. Es lässt sich gut vorstellen, dass dies auch mit dem kürzlich veröffentlichten Band "Liquida" (2017) geschehen wird, der Prosatexte aus den letzten fünfzehn Jahren als zusammenhängendes Ganzes vereint.

Der Schweizer Grand Prix Literatur 2018 würdigt die Karriere einer bedeutenden Autorin, die einem Schreibstil treu geblieben ist, in dem die Musik zuweilen wichtiger ist als das Libretto, das Wortgewebe wichtiger als der Erzählstrang.