Pascale Kramer

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© Corinne Stoll

Pascale Kramer

Schweizer Grand Prix Literatur 2017

Fracas, L’Implacable brutalité du réveil, Un Homme ébranlé, Autopsie d’un père. Diese Titel beschwören umgehend die Welt herauf, in der sich Pascale Kramers literarisches Werk bewegt: Es ist eine Welt der Besorgnis, des Unbehagens und der Krisen. Ihre Bücher handeln oft von unstimmigen Familienbanden, in denen das Echo weitgreifenderer politischer, sozialer und menschlicher Verwirrungen nachhallt.

Dennoch sind diese unruhigen Erzählungen nicht finster. Wie ein virtuoses Streichquartett entwickeln sie ihre eigene feine Musikalität. Das Abgleiten ins rechte Lager der Politik in Autopsie d’un père, das Fehlen des Mutterinstinkts in L’Implacable brutalité du réveil, Krankheit in Un Homme ébranlé, Familien hinter geschlossenen Türen in Fracas oder Retour d’Uruguay – in Tausenden von Nuancen widerspiegelt sich das stumme Einverständnis, das bei Pascale Kramer durch die schmerzlichen Spannungen unter Menschen erzeugt wird.

Bilder mit einer unvergleichlichen Kraft erleuchten unvermittelt die Erzählung und verfolgen die Lesenden noch lange. Im ergreifenden Roman Gloria beispielsweise, in dem sich der Verdacht auf Pädophilie mit der Armut mischt, schlingt ein kleines Mädchen seinen Arm um das Bein des Vaters und presst ihre Schläfe dagegen, um ihn auf diese Weise vor dem Sozialarbeiter zu schützen.

 

Pascale Kramer vermag solche kurzen und unverfälschten Momente zu fassen und sie mit ihrer lebhaften Sensibilität und ihrem ausserordentlichen Beobachtungstalent festzuhalten. Keine moralischen Ermahnungen und keine vollständige Auflösung in ihren Erzählungen – Geradlinigkeit ist das Mass aller Dinge. In Manu, L’Adieu au Nord, Gloria und in Retour d’Uruguay bleibt jedoch immer ein Mysterium, das Rätsel der Menschheit. Kramers Texte sind auch grosszügig: Jede Figur, sei sie noch so düster, komplex oder boshaft, wird trotz allem mit Wohlwollen behandelt.