Eleonore Peduzzi Riva

Video: Adrian Graf, Zürich & Julia Ann Stüssi, Zürich
Graphic Design: Ard.works (Guillaume Chuard), Lausanne / London
Music: Alors. Music for Visuals, London.

Eleonore Peduzzi Riva

Die kreative Dimension des gemeinsamen Arbeitens

von Francesca Picchi

Instinktiv zur Modernität gezogen hat Eleonore Peduzzi Riva mit ihren Entwürfen in allen Bereichen des kreativen Lebens ihr eigenes Ausdrucksfeld gefunden, sei es Innenarchitektur und Inneneinrichtung, Produktdesign oder Art Direction, die sie als ein Umreissen der Ausrichtung eines ganzen Unternehmens versteht und nicht auf die produktive Höchstleistung reduziert. Damit steht sie für eine Vision des umfassenden Entwerfens, nach der alles ein Projekt ist und jedes neue Produkt nichts anderes sein kann als das Resultat eines dichten Beziehungsgeflechts und eines Zusammenspiels der verschiedenen Beiträge im Team. «Ein Produkt kann nur aus der Zusammenarbeit vieler verschiedener Know-hows entstehen», hält sie fest und stellt damit die Beziehungen über den Ausdruck des Einzelnen oder die wiedererkennbare Geste eines Autors oder einer Autorin. So ist Peduzzi Riva zu einem Ansatz gelangt, der den Entwurf als ein offenes System versteht. Sie will koordinieren, herausfordern, neue Dynamiken auslösen, Teamarbeit fördern: Im Allgemeinen interessiert sie sich mehr für das gemeinsame Erarbeiten als für die Gestaltung einer fertigen, abgeschlossenen und endgültigen Form.

Peduzzi Riva ist in Basel an der Grenze zwischen drei Ländern aufgewachsen, wo verschiedene Kulturen aufeinandertreffen, und in einer Stadt, die ganz natürlich zur Zusammenarbeit und zum Zusammenleben in Diversität anregt. Ihren Instinkt für die Modernität konnte sie dort während des Studiums an der Allgemeinen Gewerbeschule gewissermassen festigen. Hier war sie Schülerin des Schweizer Architekturpioniers Paul Artaria, der ihr einen sicheren Blick für alles Moderne mitgegeben hat.

Als Innenarchitektin hält Peduzzi Riva fest, dass sie schon immer Mühe hatte, die Räume oder Objekte in geschlossenen und endgültigen Formen zu denken, und den Nutzenden lieber Instrumente anbietet, mit denen sie ihren Lebensraum selbst gestalten können. Daraus erschliesst sich ihre Art, Programme, Systeme, Kataloge und einfache Handbücher zu schaffen und ihre Entwürfe in jedem Fall als offene Systeme zu verstehen, die in Modulen frei zusammengestellt werden können. Ein Beispiel dafür ist einer ihrer bekanntesten Entwürfe, das modulare Sofa DS-600, das sie 1972 zusammen mit Ueli Berger, Heinz Ulrich und Klaus Vogt für De Sede geschaffen hat.

Mit ihrer grossen Vitalität und der gewinnenden Art stellt Peduzzi Riva ihren Enthusiasmus und ihre Offenheit allem zur Verfügung, was neu, elegant und modern ist und zu neuen Abenteuern mit grossem Potenzial anregt. Ende der 1950er-Jahre geht sie nach Mailand, um als Hörerin die Architekturfakultät des Polytechnikums zu besuchen. Sie fühlt sich sofort am richtigen Platz in der jungen Mailänder Architektur‑ und Kunstszene mit ihrem Verlangen nach der Gestaltung einer neuen Gesellschaft, die sich öffnet und von den akademischen Konventionen und Zwängen befreit. Es sind Jahre voller Vertrauen in die Zukunft. Peduzzi Riva ist mitten im Zentrum des kreativen Brodelns angekommen und nimmt an höchst experimentellen und erfinderischen Initiativen teil. Sie lernt Gio Ponti, Cesare Cassina, Ernesto Gismondi, Aurelio Zanotta, Luciano Vistosi, Elio Fiorucci und Maddalena De Padova kennen und beginnt sich mit ihnen auszutauschen. Daraus entstehen fruchtbare Zusammenarbeiten wie etwa diejenige mit De Padova, die über fünfzig Jahre dauern und damit ihre langlebigste werden sollte.

Zu Beginn ihrer Karriere, als sie zusammen mit ihrem Mann, dem Ingenieur Sandro Riva, ein Architekturbüro eröffnet, stellt sie fest, dass moderne Einrichtungen nicht so einfach zu finden sind. Sie entwirft daher ein System, mit dem sich eine ganze Reihe von verschiedenen Möbeln zusammenstellen lässt. Als sie dann vom Schweizer Musikproduzenten Walter Guertler (der Produzent von Adriano Celentano, Franco Battiato und vielen anderen) den Auftrag bekommt, die neuen Büros in der Via San Vittore in Mailand zu entwerfen, wendet sie sich an die Möbelfirma Cassina, die zusammen mit Bernini ihr System in der Produktion entwickelt und in den Katalog aufnimmt. Das Konstruktionssystem basiert auf einem einzigen Aluminiumprofil (deshalb heisst es «Lega Leggera»), dank dem die wesentlichsten Möbeltypen zusammengestellt und äusserst einfach montiert und demontiert werden können. 1959 ist dieses System ihr erster Industriedesign-Entwurf. Gio Ponti lobt es für seine klare Konstruktion, die Reduziertheit und die Flexibilität. Er veröffentlicht es in Domus, beeindruckt davon, «wie die Elemente von Tischen, Schreibtischen und Schränken auf die unterschiedlichsten Arten zusammengestellt und untereinander ausgetauscht werden können». Bereits mit diesem ersten Projekt wird der programmatische Ansatz offensichtlich, offene Entwürfe zu schaffen, die sich verändern lassen, die flexibel sind, auseinandergebaut, umgestaltet und einfach montiert werden können – und damit die Freiheit der Nutzenden ins Zentrum stellen.

Auf ihre eigene Weise widmet sich Peduzzi Riva dem Experimentieren und allem, was die Sparte «weitertreibt». Sie probiert neue Materialien wie Schichtstoffe oder geblasenes Glas aus und fördert gleichzeitig ungezwungenere Vorgehensweisen. Die Industrie, oder besser gesagt die Industrien, die sie in ihrer Gesamtheit versteht, stehen im Zentrum ihres Schaffens. Darauf wird sie ihr Interesse in den 1980er- und 1990er-Jahren konzentrieren. Die Idee, das Ansehen eines Unternehmens zu entwerfen, bringt sie zu ihrer Tätigkeit als Beraterin für das Image und die Koordination von zahlreichen Marken wie Abet Laminati, Fiorucci, ICF De Padova, Mira-X, Ponteur, Vistosi und Samit. Für diese Unternehmen verfeinert sie die Kataloge, wählt Designerinnen und Designer aus, entwirft Ausstattungen, koordiniert Kultur‑ und Werbeanlässe. Sie hat ein breites Verständnis für den Beitrag, den sie mit ihrer Arbeit leisten kann, indem sie über die Produkte auf die Unternehmen einwirkt, um Verbesserungen zu erzielen, die sich in der Lebensqualität der Gesellschaft niederschlagen: «Wir sind mit der Vorstellung geboren, mit unserer Arbeit das Leben unserer Mitmenschen zu verbessern, und es ist uns oft gelungen», hält sie fest.

Francesca Picchi, Architektin, Journalistin und freischaffende Kuratorin, unterrichtet Designgeschichte und ‑kritik am Istituto Superiore per le Industrie Artistiche ISIA in Florenz.