Thomi Wolfensberger

Video: Marc Asekhame, Zurich
Cut: Max Wuchner
Interview: Mirjam Fischer, Zurich
Assistant Wolfensberger AG: Adem Dërmaku
Artist: Shirana Shabazi, Zurich

Thomi Wolfensberger

Steindrucker und Verleger

Get Stoned

Thomi Wolfensberger ist ein Meister auf dem Gebiet des Steindrucks. Seine Leidenschaft für das Handwerk und seine hohen Qualitätsansprüche, die Experimentierlust und Offenheit machen ihn seit mehr als 30 Jahren zu einem hochgeschätzten Druckpartner für zeitgenössische Kunstschaffende im In- und Ausland. Seit einigen Jahren erscheinen Originalgrafiken und Bücher im eigenen Verlag, dem Wolfsberg Verlag. 2014 wurde Thomi Wolfensberger mit dem Peter Kneubühler Graphikpreis ausgezeichnet. 2019 erhält er den Schweizer Grand Prix Design für seine handwerklichen Fähigkeiten, seine herausragenden Materialkenntnisse, sein Farbwissen, die innovative Entwicklung und Erweiterung des Flachdruckverfahrens.

Das Steindruckatelier, wo die Druckmaschinen Namen wie Emma Stone oder Gertrude Stein haben, steht für ein Stück Schweizer Druckgeschichte. Kunst und hochwertige Druckerzeugnisse zu verbinden, hat sich die Graphische Anstalt J.E. Wolfensberger AG in Zürich seit ihrer Gründung im Jahr 1902 zur Aufgabe gemacht. Als Thomi Wolfensberger Ende der 1980er-Jahre die Steindruckabteilung im Familienbetrieb übernahm, war die Hochblüte der klassischen Lithografie jedoch zu Ende. Von Beginn an fand er in der Kunst und in fruchtbaren Künstlerkollaborationen einen Weg, das Handwerk lebendig zu halten. Für das Umsetzen von künstlerischen Visionen reizt er die Möglichkeiten des lithografischen Verfahrens aus und findet immer wieder ganz spezifische, neue Lösungen. Seien es technische Weiterentwicklungen, um in Übergrössen, en plein air oder direkt an die Wand zu drucken, seien es experimentelle Versuche in den Bereichen Monotypie, Fotografie, im Umgang mit der Farbe oder ein spezielles Verfahren, um den Abdruck eines Tieres lithografisch festzuhalten. Risikobereitschaft und gegenseitiges Vertrauen bilden die Grundlage jeder Zusammenarbeit. Lang währende und wiederkehrende Künstlerkollaborationen unter anderem mit Fischli/Weiss, Samuel Buri, Shirana Shahbazi, Huber/Huber, Zilla Leutenegger, Dominique Lämmli, Michael Günzburger, Dominik Stauch, Adrian Schiess, aber auch mit internationalen Künstlern wie John Baldessari, Wade Guyton, Wolfgang Laib, Douglas Gordon machten die Steindruckerei zu einem reinen Künstlerdruckatelier.
Trotz oder gerade wegen seiner grossen Materialkenntnisse und seines technischen Know-hows lässt sich Thomi Wolfensberger immer wieder gerne herausfordern: «Wenn er die Stirn runzelt, bin ich zufrieden», so Michael Günzburger, der den offenen Dialog überaus zu schätzen weiss. «Wir stellen uns in gegenseitigem Respekt als Künstler oder Drucker infrage, was extrem produktiv ist und inhaltlichem Arbeiten entspricht. Wir beeinflussen uns gegenseitig.» Für den Steindrucker sind Zuhören und sich Zeit nehmen zwei Grundbedingungen seiner Arbeit. Erst durch die Langsamkeit kann man sich auf etwas vertieft einlassen und ergeben sich überraschende Lösungen. Als dritter Pfeiler kommt Wolfensbergers Leidenschaft für die Farbe ins Spiel. Er fordert von seinem Gegenüber eine ganz dezidierte Haltung gegenüber der Farbe und dem Umgang mit ihr, eine Haltung, die sich nicht mit vorgegebenen konventionellen Farbsystemen zufriedengibt. Dies hat ihm auch schon den Beinamen «Anti-Pantone» eingebrockt. Ihm liegt viel daran, gängie Annahmen zum Thema Farbe infrage zu stellen und in Gesprächen ein neues Bewusstsein zu schaffen. Mit einigen Kunstschaffenden entwickelt er deshalb spezifische, personalisierte Farbfächer.
Seine Farbexpertise hat ihn 2017 an die ECAL in Lausanne gebracht, wo er von den beiden Grafikdesignern David Keshavjee und Julien Tavelli von Maximage zu einem ganz besonderen Farbworkshop eingeladen wurde.
Seit Herbst 2018 läuft das vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützte Forschungsprojekt «Hands-on» an der Zürcher Hochschule der Künste, welches den Dialog zwischen dem Steindrucker Thomi Wolfensberger und den Kunstschaffenden ins Zentrum stellt, um handwerkliche Fähigkeiten zu dokumentieren und gleichzeitig Fragen aus anderen Wissenschaftsfeldern zu beantworten. Damit macht der renommierte Steindrucker seine fundierten Kenntnisse einer grösseren Wissensgemeinde zugänglich. Auch hier sieht er sich in der Rolle, die ihm am liebsten ist: Er sei einfach ein neugieriger Drucker, so Wolfensberger.
Mirjam Fischer