Felco

Marc Asekhame, Zürich
Interview: Vera Sacchetti, Basel

Felco

Hersteller von professionellen Baumscheren, Les Geneveys-sur-Coffrane

Felco wurde 1945 von Félix Flisch gegründet und konzentrierte sich von Beginn an auf innovative und dauerhafte Produkte im Bereich des Gartenbaus. Mit ihren drei Grundsätzen „Ergonomie, Exzellenz und Auswechselbarkeit" hat Felco nicht nur den professionellen, sondern auch den privaten Markt erobert. 1948 kam das bekannteste Produkt des Unternehmens auf den Markt, die Baumschere Felco 2, die heute noch hergestellt wird. Mit austauschbaren Einzelteilen und einer lebenslangen Garantie kann das Werkzeug von Generation zu Generation weitergegeben werden, ohne an Qualität zu verlieren. Felco ist bis heute innovationsfreudig geblieben und expandiert langsam, aber stetig in weitere Märkte auf der ganzen Welt.
Der Bund vergibt einen Schweizer Grand Prix Design an Felco für ihren visionären Ansatz zur Herstellung dauerhafter Produkte und ihr Bekenntnis zu Qualität und Nachhaltigkeit in einer Welt der geplanten Obsoleszenz.

Essay

Eine Rebschere wird zum Kultobjekt

Das Familienunternehmen Felco in Geneveys-sur-Coffrane hat ein gängiges landwirtschaftliches Werkzeug zum begehrten Kultobjekt gemacht.
Eines Tages, im Jahre 1945, kaufte ein Visionär eine alte Zifferblattfabrik in Geneveys-sur-Coffrane am Rande des Neuenburger Juras. Diese Region ist für hochpräzise Uhrmacherkunst bekannt, doch der junge Félix Flisch, ausgebildeter Mechaniker, wollte das lokale Know-how für die Herstellung eines ganz anderen Geräts nutzen. In den Weinbergen der Umgebung wurde nämlich mit schweren und unhandlichen Werkzeugen gearbeitet. Dem Jungunternehmer schwebte eine Rebschere vor, die so präzise wie eine Schweizer Uhr und so symbolträchtig wie ein Schweizer Messer sein sollte. Die 1948 entstandene Felco 2 wurde zum weltweiten Erfolg. 70 Jahre später gilt sie nach wie vor als Referenz und bleibt ein Bestseller.
„Die Felco 2 ist das am häufigsten kopierte Werkzeug der Welt, seit der Patentschutz abgelaufen ist. Sie ist bis heute unser meistverkauftes Modell", so Christophe Nicolet, CEO des Unternehmens. So wurden bereits mehr als 16 Millionen Stück verkauft. „Das stellt die Marketingtheorie des Produktlebenszyklus auf den Kopf: Die Beliebtheit nimmt seit einem halben Jahrhundert stetig zu."
Der Geniestreich von Félix Flisch bestand in der Verwendung von Aluminium statt Stahl für geringes Gewicht, der Inspiration von der Uhrenmechanik für eine hochpräzise Einstellung des Schnittkopfes und einer ergonomischen, der Handmorphologie angepassten Griffform. „Der zentrale Faktor ist die Ergonomie: Dieses Werkzeug ist für Profis bestimmt, die bis zu 12 000 Schnitte pro Tag ausführen müssen, und dies während Wochen oder sogar Monaten. Dazu braucht es ein leichtes, ergonomisches und effizientes Werkzeug", erklärt Christophe Nicolet.
Eine weitere Idee, die von der Uhrmacherei übernommen wurde und damals revolutionär war: Die Bestandteile einer Felco-Schere lassen sich bei Abnutzung leicht ersetzen. Und was die Griffe betrifft, so ist aussergewöhnliche Robustheit garantiert ... ein Leben lang.

Eine Modellreihe für Linkshänder
Das Unternehmen entwickelt sein Sortiment seit den ersten Prototypen stetig weiter, um ein Maximum an Kunden zufriedenzustellen. Als einer von wenigen Herstellern bietet es seit den 1970er-Jahren Scheren für Linkshänder sowie einen Rollgriff zur Verhütung von Sehnenentzündungen an und es passt sich mit pneumatischen und elektrischen Werkzeugen neuen Trends an. Die Entwicklung von Elektrowerkzeugen wird seit 2010 gemeinsam mit dem Schwesterunternehmen Felco Motion betrieben. Um Neuheiten eine vollendete Form zu verleihen, arbeitet Felco seit etwa zehn Jahren mit dem Tessiner Industriedesigner Paolo Fancelli zusammen.
„Industriedesign ist ein permanenter Kompromiss zwischen Funktionalität und Ästhetik", so Christophe Nicolet. „Es kommt vor, dass wir technische Details anpassen, um mehr Eleganz und Bedienungsfreundlichkeit zu erzielen, ohne dabei die Schneidequalität zu beeinträchtigen." Doch das zentrale Element eines jeden Modells bleibt die spitz zulaufende Klinge, deren Herstellung ein gut gehütetes Betriebsgeheimnis ist.
In den Werkstätten des Unternehmens, die sich noch immer beim Haus von Félix Flisch befinden und nach einem Ausbau über 200 Mitarbeitenden Platz bieten, findet man sowohl ultramoderne Robotik als auch herkömmliche Anlagen. Die Mitarbeitenden bedienen die Maschinen und die Montage erfolgt in Handarbeit, wobei jede Schere eine zweifache Qualitätskontrolle durchläuft. Die Herstellung eines Werkzeugs umfasst etwa 50 Schritte. Die gesenkgeschmiedeten Aluminium- oder Stahlteile werden vom Schwesterunternehmen Prétat produziert und anschliessend am Standort Geneveys-sur-Coffrane montiert.
„Felco ist trotz konstanter Entwicklung und Modernisierung ein Familienunternehmen geblieben, das bestrebt ist, seinen Mitarbeitenden ein angenehmes und gesundes Arbeitsumfeld zu bieten", erklärt Christophe Nicolet. „Einige arbeiten bereits seit über 20 oder sogar 30 Jahren hier." Das Engagement für gute Arbeitsbedingungen geht Hand in Hand mit dem Engagement für die Umwelt: „Da wir ja Werkzeuge für Profis produzieren, die in der Natur arbeiten und stark mit ihrem Grund und Boden verbunden sind, müssen wir der Umwelt Sorge tragen. Wir nutzen erneuerbare Energien und recyceln fast sämtliche Abfälle." Das Unternehmen setzt sich zudem Ziele beim Energieverbrauch pro produziertes Werkzeug: Dieser liegt aktuell bei 1,9 kWh, doch Felco möchte ihn weiter senken.
„Wir scheuen keine Mühe, wenn es darum geht, uns zu verbessern", betont der Geschäftsführer. So hat Felco auch in die Forschung investiert, um eine Griffbeschichtung ohne Phthalate zu entwickeln, da deren chemische Bestandteile im Verdacht stehen, das Hormonsystem zu stören. Das Unternehmen plant ausserdem, längerfristig die Rückverfolgbarkeit seiner Rohstoffe zu fördern.

Über Weinberge und Landesgrenzen hinaus
Felco produziert umweltfreundliche Swiss-made-Werkzeuge, die überwiegend exportiert werden: Das Neuenburger Unternehmen erzielt heute 90 % des Umsatzes im Ausland. Félix Flisch hatte Zweifel daran, ob der Schweizer Markt alleine ausreichen würde, um die Kosten zu decken, und bewarb seine Werkzeuge daher auch über die Landesgrenzen hinaus. Diese Strategie erwies sich als klug: Felco hat bis heute Kunden in 120 Ländern überzeugt. Es entstanden auch Modelle, die regionalen Gegebenheiten angepasst sind, beispielsweise die Ambossschere für den italienischen Markt oder eine Version ohne Stossdämpfer für Südafrika, wo man „die Leute arbeiten hören will", wie Christophe Nicolet erzählt.
Das Geheimnis hinter diesem weltweiten Erfolg? Qualität und ein durchdachtes Design, das diese Schere zum Universalwerkzeug macht. „Die Kunden setzen unsere Rebscheren auch ausserhalb von Weinbergen ein, wir haben schon von Elektrikern und Küchenchefs gehört, die auf Felco schwören", berichtet die Geschäftsleitung schmunzelnd. „Die Winzer haben oft eine ähnliche Beziehung zu ihrem Werkzeug wie Musiker zu ihrem Instrument. Der Vater gibt es als Verkörperung eines Know-hows an den Sohn weiter."
Plant die Marke nach Felco 2 eine weitere bahnbrechende Erfindung? „Sie stellt sich auf jeden Fall dieselben Fragen wie andere auch: Fragen zur Sharing-Ökonomie und zum Internet der Dinge. Auch wenn wir viel an der Weiterentwicklung bestehender Modelle arbeiten, verlieren wir die Innovation dennoch nie aus den Augen", so Christophe Nicolet. „Es gibt Fans, die sich ihre Felco tätowieren lassen. Menschen, die so viel Vertrauen in unsere Marke haben, dürfen wir nicht enttäuschen."
Olga Yurkina