Manuel d'exil / Maya Bösch

Maya Bosch
© BAK / Charlotte Krieger

«Manuel d’exil» / Maya Bösch

Verwirrende poetische Prosa

Schweizer Theaterproduktion 2021

«Manuel d’exil» basiert auf dem gleichnamigen Roman von Velibor Čolić, der 1992 selbst in einem Flüchtlingslager in Rennes landete. Als Schriftsteller und Deserteur der bosnischen Armee stellte er in Frankreich einen Asylantrag. Mit nur drei Wörtern Französisch im Gepäck – Jean, Paul und Sartre – musste er sich neu erfinden und formuliert 23 Jahre später dieses «Handbuch des Exils» auf Französisch, ohne seine Muttersprache zu verwenden. Die Erzählung, die im Untertitel «Wie man sein Exil in 35 Lektionen erfolgreich meistert» lautet, lebt von grimmiger Ironie, Selbstironie und poetischer Prosa. Allein auf der von Sylvie Kleiber gestalteten Bühne interpretiert der stimmgewaltige Jean-Quentin Châtelain in der Regie von Maya Bösch diese verwirrende, radikale und gleichzeitig intime Geschichte eines Flüchtlings, die zum Nachdenken über absurde wie tragische Situationen anregt. «Manuel d’exil» wurde im Herbst 2021 im Théâtre Saint-Gervais uraufgeführt und stand auf der Shortlist des Schweizer Theatertreffens 2022.

Maya Bösch / Cie sturmfrei

Maya Bösch, 1973 in Zürich geboren, lebt in Genf. Die schweizerisch-amerikanische Doppelbürgerin studierte Regie an der Universität in Philadelphia (USA), spezialisierte sich in politischem Theater und war danach als Regieassistentin in New York, Brüssel, Genf und Wien tätig. Im Jahr 2000 gründete sie in Genf die Compagnie sturmfrei, mit der sie oft zeitgenössische Texte beispielsweise von Heiner Müller, Peter Handke, Elfriede Jelinek, Sarah Kane, Marguerite Duras, Mathieu Bertholet u. a. bearbeitet. Die Künstlerin, Regisseurin und Kuratorin erforscht dabei neue Formen des Theaters und der Kunst. Als «wachsames Multitalent» wurde sie 2015 mit einem Schweizer Theaterpreis ausgezeichnet. Jean-Quentin Châtelain und Sylvie Kleiber erhielten 2016 als «schauspielerische Ausnahmeerscheinung» und 2020 als «Szenografin der Avantgarde» ebenfalls einen Theaterpreis der Eidgenossenschaft.

«Manuel d’exil» nimmt sich als mehrstimmiger Monolog aus, der die Erlebnisse eines Mannes im Exil theatral aufarbeitet. Dabei wird seine persönliche Geschichte erzählt, während das Publikum gleichzeitig Einblick in die grösseren Zusammenhänge der Flucht und anderer Tragödien erhält, unter denen unzählige Menschen leiden. Den Autorinnen und Autoren dieses komplex aufgebauten Stücks gelingt es meisterhaft, die performativen, szenischen, klanglichen und literarischen Dimensionen in einer unerschöpflichen künstlerischen Suche zu verbinden. Die Auszeichnung würdigt eine Arbeit, der die schwierige Aufgabe gelingt, prägnante Inhalte mit mutigen und schlüssigen Ausdrucksformen zu verknüpfen.

Demis Quadri, Jurymitglied