Die Ingenieure Jürg Conzett und Gianfranco Bronzini beweisen, dass Ingenieurskunst immer auch Teil der Baukultur ist. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass die beiden sich nicht als Dienstleister berühmter Architekten verstehen, sondern für sich in Anspruch nehmen, selbst zu gestalten. Bei ihren Projekten lassen sie sich von einem Ziel leiten: Die Eingriffe in der Landschaft, in der Stadt oder im Bestand müssen angemessen sein – und zwar konstruktiv, ökonomisch und ästhetisch. Damit spinnen Conzett und Bronzini die Tradition der grossen Schweizer Ingenieure Robert Maillart und Christian Menn weiter.
Die Grundlage ihrer Entwürfe ist eine intensive Gedankenarbeit. Dabei greifen sie zu einem Kniff: Sie probieren stets das Gegenteil aus, um so die technisch und ästhetisch intelligenteste Lösung zu finden. Dabei kann die Lösung auffallen, wie zum Beispiel der schlanke Negrellisteg über das Gleisfeld vor dem Zürcher Hauptbahnhof, die gewagte Hängebrücke in der Viamala-Schlucht oder die Wunderbrücke vor dem Technorama in Winterthur. Oder: Conzett und Bronzini entscheiden sich für das Unaufgeregte und Unscheinbare und gehen sogar so weit, einem Auftraggeber eine kleinere, bescheidenere Brücke vorzuschlagen. «Denn wir möchten nicht einfach Brücken bauen», erklärt Bronzini.
Mit ihrer eigenständigen, oft auch detektivischen Arbeitsweise sind Conzett und Bronzini gefragte Ingenieure im Hochbau. Mit den Architekturbüros Meili + Peter (Holzfachschule Biel), Miller + Maranta (Volta-Schulhaus), Peter Zumthor (Klangkörper Schweiz, EXPO Hannover) oder Diener & Diener (Kongresshaus und Tonhalle Zürich) sind fruchtbare Zusammenarbeiten zustande gekommen.
Seit 1994 arbeiten Conzett und Bronzini zusammen und führen seit 1996 ein gemeinsames Büro in Chur. Beide haben das Bauen gleichsam im Blut: Conzetts Vater war Vermessungsingenieur und Kartograf, Bronzini ist in einem handwerklichen Milieu aufgewachsen, sein Vater war als Gastarbeiter auf dem Bau tätig. Conzett hat an der EPF Lausanne und ETH Zürich studiert, Bronzini schloss nach einer Lehre als Tiefbauzeichner sein Studium an der Ostschweizer Fachhochschule (OST) ab.
Beide verbindet ein tiefer Respekt vor dem Vorhandenen. Das zeigt sich bei den Untersuchungen der Infrastrukturarbeiten für die RhB oder Tiefbauämter. «Eigentlich mögen wir, was wir analysieren, und haben nie den Anspruch, möglichst viel zu ändern. Da gibt es eine Art Hemmung, zu stark einzugreifen. Das ist ein denkmalpflegerischer Reflex», erklärt Conzett.
Das Ingenieurduo ist auch forschend unterwegs. Mit der «Wegleitung zur Gestaltung von Stützmauern» zeigt Conzett, dass gerade in einem Gebirgskanton auch Stützmauern nach einheitlichen Grundsätzen zu gestalten sind. Im Schweizer Beitrag «Landschaft und Kunstbauten» für die 12. Architekturbiennale in Venedig legte er zusammen mit dem Fotografen Martin Linsi 2010 dar, was Ingenieurskunst ausmacht.
Für ihre Arbeit wurden Conzett und Bronzini mehrfach ausgezeichnet, unter anderem 2021 mit dem Stahl- und Metallbaupreis Prix Acier für den Negrellisteg.